„Entweder wir machen etwas schnell – oder gar nicht.“ Genau diese Entschlossenheit ist wohl das Erfolgsrezept von Holger Fichtel. Ob bei der Installation einer Entalkoholisierungsanlage, dem Auslandsgeschäft oder seiner neuen Monomarke „Mooser Liesl“ – mit seinen Entscheidungen rund ums Bier ist der Arcobräu-Chef der Konkurrenz fast immer eine Nasenlänge voraus. Längst ein „alter Hase“ im Geschäft sprüht er noch immer vor Energie, Offenheit und Tatendrang. Nach seinem Wirtschaftsstudium arbeitete Fichtel viele Jahre erfolgreich als Vertriebschef in der Getränkelogistik. Als Brauereidirektor beim Gräflichen Brauhaus Arcobräu in Moos ist er 2004 wieder zu seinen beruflichen Wurzeln zurückgekehrt. Denn als gelernter und studierter Brauer fühlt er sich in der Nähe eines Sudhauses einfach am wohlsten. Und man spürt seine innere Zufriedenheit, wenn er freudestrahlend konstatiert: „Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht.“
Monomarke „Mooser Liesl“ erreicht als Bier Kultstatus
Der ganz große Wurf gelang Holger Fichtel 2015 mit der „Mooser Liesl“. Die Getränkezeitung wählte das neu gelaunchte Helle 2016 zur „Produktneuheit des Jahres“, bereits ein Jahr später zum „Getränk des Jahres“ in der Kategorie „Deutsches Bier“. Mittlerweile zählt die „Mooser Liesl“ aus der niederbayerischen Arcobräu zu den erfolgreichsten Hellbieren in Deutschland. Von Hamburg bis München, von Berlin bis Stuttgart trinkt man das „Kultbier“. Für Holger Fichtel ist der Erfolg mehr als eine glückliche Fügung und mit Sicherheit kein Zufall. Denn er ist überzeugt: „Die ‚Mooser Liesl‘ ist das einzige Helle mit ganzheitlich durchdachter Philosophie.“
Von Hürden, Zweifeln oder Rückschlägen hat er sich dabei nicht unterkriegen lassen. „Wir haben vier Jahre lang an dem Markenauftritt getüftelt, ein ganzes Jahr lang am Sud- und Maischerezept gedoktert, wollten zwischendurch fast schon alles hinschmeißen“, erinnert sich der resolute Brauereichef. Dass die Monomarke „Mooser Liesl“ binnen kurzer Zeit zum Shootingstar im Bereich „Helles Bier“ wurde, liegt laut Fichtel an „sieben Geheimnissen“, die er natürlich nicht alle preisgeben will. Was aber feststeht: Fichtels „Ganz oder gar nicht“-Mentalität war auch hier der Schlüssel zum Erfolg.
Weltneuheit: ein „sprechendes Bieretikett“
Bei seiner Neukreation hatten „der besondere Geschmack“ und „eine hohe Drinkability“ für den gelernten Brauer von Anfang an oberste Priorität. Die „Mooser Liesl“ sollte nicht einfach als ein weiteres Bier unter dem Dach der Arcobräu verkauft werden, sondern als eigenständige Monomarke neue Zielgruppen erschließen. Für Fichtel ebenfalls gesetzt: die Euroflasche („damit gehörten wir 2015 bei den Hellen noch zu den ersten“) und ein gutes Etikett. Das ist ebenfalls eine Weltneuheit, denn es kann sogar „sprechen“: Indem man eine kostenlose App herunterlädt und die Smartphone-Kamera vor das Flaschenetikett hält, erweckt man die Liesl zum Leben und sie erzählt einem ihre Geschichte.
Der Name „Mooser Liesl“ und die Geschichte dahinter sind letztlich der Kern der Marke. Auch hier hat Holger Fichtel nichts dem Zufall überlassen, denn er wollte von Anfang an eine personifizierte Marke mit Bezug zur Arcobräu-Geschichte. Um die zu finden, wurden in mühevoller Fleißarbeit unzählige Dokumente gesichtet – von Büchern über historische Etiketten bis hin zu alten Postkarten und Fotos. Dabei stieß man schließlich auf die Liesl, eine fesche Kellnerin, die einst in der Schlosswirtschaft das Bier noch aus der Kanne ausschenkte und weit über die Grenzen von Moos hinaus als Markenzeichen der Brauerei bekannt war. Der Name „Mooser Liesl“ war geboren.
„Was nichts kostet, ist nichts wert“
Sein Vorhaben, das neue Helle ausgerechnet im Hochpreissegment zu positionieren, rief allerdings einige Zweifler auf den Plan. Aber Fichtel war sich sicher: „Was nichts kostet, ist nichts wert.“ Deshalb gab es die „Mooser Liesl“ anfangs auch nicht im Handel, sondern ausschließlich in der Gastronomie – allerdings bewusst nicht vom Fass. Die Serviervorgaben lieferte Fichtel gleich mit: „Die „Mooser Liesl“ wird direkt am Tisch in einen eisgekühlten Steinkrug eingeschenkt.“ Die gebrandeten Steinkrüge – übrigens handgemacht, salzlasiert und entsprechend hochpreisig – mussten die Wirte dafür selbst erwerben. Allen Unkenrufen zum Trotz – Fichtels Strategie ging auf. Wohl auch, weil er zur Markteinführung nicht an Werbung sparte, so dass viele Gäste in der Gastronomie gezielt nach der neuen „Mooser Liesl“ fragten. Weil auch der Geschmack vollauf überzeugte, stieg sie binnen kürzester Zeit deutschlandweit zum „Kultbier“ auf.
Mehrere Säulen tragen den Erfolg der Arcobräu
Der Erfolg der „Mooser Liesl“ ist das Ergebnis eines langen unternehmerischen Weges. Denn die etwas angestaubte Schlossbrauerei mit jahrhundertealter Tradition wieder auf Kurs zu bringen, war ein gutes Stück Arbeit. Rund 14 Millionen Euro Investitions- und Instandhaltungsstau bei nur 80.000 Hektoliter Jahresausstoß – als Fichtel mit gerade mal 38 Jahren die Geschäftsleitung der Arcobräu übernahm, war die Ausgangslage nicht berauschend. Schnell erkannte er: „Niederbayern als Kernmarkt ist viel zu wenig“. Deshalb baute er seine Geschäftsstrategie auf mehreren Säulen auf. Immer mit dem Anspruch, schneller zu sein als die anderen. Bereits 2006 – weit bevor der „Alkoholfrei-Trend“ in aller Munde war – nahm die Arcobräu eine Entalkoholisierungsanlage in Betrieb. Auf der Achse Landshut München steckte Fichtel frühzeitig sein Revier ab, bevor andere den Markt für sich erschließen konnten. Und ihm war klar: „Um weiter wachsen zu können, muss unser Bier ins Ausland!“
Weil der amerikanische Markt schon besetzt war, streckte Fichtel seine Fühler gen Osten aus. Um als einer der ersten deutschen Mittelstandsbrauer in Asien Fuß zu fassen, musste er Pionierarbeit leisten. Fichtel tat auch dies mit Entschlossenheit, aber ohne allzu großes Risiko: „Die ersten 100.000 Hektoliter im Ausland haben wir allein auf Provisionsbasis verkauft“. Das erste im Ausland verdiente Geld, investierte er direkt wieder vor Ort in der Heimat: Er modernisierte diverse Gaststätten, die Arcobräu ausschenken und damit der Brauerei als Aushängeschild dienen. Mit dieser Mischung aus Entschlossenheit, Weitblick und verlässlichem Bauchgefühl gewann Holger Fichtel schnell das Vertrauen des kürzlich verstorbenen Arco-Eigentümers Riprand Graf von und zu Arco-Zinneberg, der dem umtriebigen Brauereidirektor bei allen Entscheidungen den Rücken stärkte.
„Minikeg macht Marke“
Mittlerweile ist die Arcobräu in rund 30 Ländern aktiv. Das Auslandsgeschäft ist eine der wichtigsten Säulen der Brauerei. Dazu trägt auch das Minikeg einen Teil bei. Denn schließlich eignet sich die Fünf-Liter-Dose als Einweggebinde hervorragend für den Exportmarkt. Fichtel, der die lange und vertrauensvolle Geschäftsbeziehung mit Envases schätzt, nutzt das Minifass grundsätzlich gerne in allen Vertriebskanälen – im Inland genauso wie im Ausland. Das „überaus kommunikative Gebinde“ ist für ihn „in Sachen Branding besonders interessant“. Oder wie er es auf den Punkt bringt: „Minikeg macht Marke!“
„Franz Josef Helles“ – das nächste Bier auf dem Weg zur erfolgreichen Monomarke?
Doch damit ist für Holger Fichtel noch lange nicht Schluss: Weil die Arcobräu selbst nur noch wenig Spielraum nach oben bietet, hat er das Unternehmen zuletzt durch die Übernahme weiterer Brauereien vergrößert: 2014 kam die Schlossbrauerei Grünbach, 2016 die Schlossbrauerei Irlbach und 2018 die Eschenbach Privatbrauerei in Eltmann dazu. Der Jahresausstoß der Arco-Gruppe liegt inzwischen bei rund 400.000 Hektoliter. Dabei ist dem Brauereidirektor wichtig, dass eigenständige Produkte der jeweiligen Brauereien erhalten bzw. sogar noch gestärkt werden. Mit einer weiteren Monomarke – „ähnlich, aber nicht gleich wie mit der ‚Mooser Liesl'“ – will er erneut Erfolgsgeschichte schreiben. Auch hier diente als Markeninspiration eine historische Figur, nämlich der älteste Sohn des Eschenbacher Braumeisters, der Ende des 19. Jahrhunderts als langjähriger Schützenmeister dorfbekannt war. Das „Franz Josef Helles“ ist seit März 2021 im Handel.