Kohlensäuremangel bringt Brauereien in Not

Bei vielen Brauereien werden die Kohlensäuretanks immer leerer. Manche haben ihre Reserven schon komplett aufgebraucht. Grund dafür: Die Kohlensäure, oder genauer gesagt der dafür nötige Grundstoff Kohlendioxid, ist derzeit äußerst knapp. Während einige Brauereien ihre Produktion bereits herunterfahren mussten, behelfen sich andere mit unkonventionellen Tüftel-Lösungen mit Ersatzgas, um über die Runden zu kommen. Dank neuer Anlagentechnik könnten sich in Zukunft CO2-Rückgewinnungsanlagen sogar schon für kleinere Brauereien lohnen.

Der derzeitige Kohlensäuremangel gefährdet die Produktion vor allem vieler kleiner und mittelständischer Brauereien. Wie konnte es dazu kommen? Welche Auswirkungen hat die Situation für betroffene Unternehmen? Welche kurzfristigen und langfristigen Lösungsansätze gibt es? Wir beantworten die wichtigsten Fragen rund um das aktuelle Thema.

1. Warum ist Kohlensäure derzeit knapp?

Aufgrund der gestiegenen Energiepreise wurde die europäische Düngemittelproduktion erheblich gedrosselt. Zahlreiche Anlagen haben ihre Produktion deutlich reduziert oder komplett heruntergefahren. Weil weniger Dünger produziert wird, kommt es zu einer Verknappung von Kohlensäure bzw. Kohlendioxid (CO2), das bei der Ammoniakherstellung als Nebenprodukt anfällt. Mehr als die Hälfte des Kohlensäuremarktes basiert auf der sogenannten Ammoniaksynthese, also der Düngemittelherstellung. Die Lebensmittelindustrie ist für Produktions- und Verpackungsprozesse auf CO2 angewiesen. Allerdings sind derzeit nur noch 30 bis 40 Prozent der üblichen Liefermengen am Markt verfügbar, schätzt der Dachverband BVE (Bundesvereinigung der Ernährungsindustrie).

2. Welche Rolle spielt Kohlensäure in der Getränkeherstellung?

CO2_Bier_einschenken

Bei vielen alkoholfreien Getränken wie Mineralwasser oder Limo wird Kohlensäure zum Karbonisieren verwendet. Das heißt, sie wird zugesetzt – genauer gesagt: unter hohem Druck eingepresst – damit das Getränk sprudelt. Beim Bier ist das nicht nötig, denn beim Brauen entsteht Kohlensäure, die dann darin enthalten bleibt und das Bier prickeln lässt. Dennoch sind auch Brauereien auf Kohlensäure angewiesen. Sie brauchen sie als Hilfsstoff, um Tanks, Fässer und Flaschen „vorzuspannen“. Das heißt, die Kohlensäure verdrängt die Luft, so dass das Bier beim Abfüllen nicht damit in Berührung kommt und ein Schäumen verhindert wird. Außerdem wird dadurch der Geschmack des Bieres länger und intensiver erhalten und seine Haltbarkeit erhöht.

Kohlensäuremangel trifft vor allem kleinere und mittelständische Brauereien

3. Welche Folgen hat der Kohlensäuremangel für Brauereien und Getränkehersteller?

Bei vielen Brauereien werden die Kohlensäuretanks immer leerer. Erste Brauereien mussten in den vergangenen Wochen bereits einen Teil ihrer Produktion stoppen. In erster Linie trifft das die Herstellung von Mineralwasser und Limonaden. Aber auch beim Bier gibt es erste Einschränkungen. Selbst wenn sie die Produktion ihrer Hauptsorten derzeit noch mit Mühe aufrechterhalten, ist es laut Georg Schneider, Präsident des Bayerischen Brauerbunds, nicht auszuschließen, dass Brauereien in den kommenden Monaten wegen zu geringer Kohlensäurelieferungen teilweise die Herstellung bestimmter Spezialitätenbiere einstellen.

 4. Wer ist am stärksten betroffen?

Der Kohlensäuremangel trifft nicht alle Brauereien gleich. Denn gerade die großen Unternehmen sind durch Rückgewinnungsanlagen, die das bei der Gärung erzeugte CO2 auffangen und aufbereiten, weitgehend autark. Besonders betroffen sind vom aktuellen Kohlensäuremangel daher kleine und mittelständische Brauereien. Denn sie können sich solche Anlagen zumeist nicht leisten und müssen ihr CO2 daher komplett zukaufen. Viele von ihnen hangeln sich mit ihren CO2-Restbeständen bzw. kurzfristig verfügbarer Kohlensäure derzeit von Woche zu Woche, bei manchen steht die Produktion zwischenzeitlich sogar still. Holger Eichele, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes, nennt die Entwicklung äußerst besorgniserregend.

DBB schafft neue Online-Plattform für CO2-Austausch

5. Wo finden betroffene Brauereien Hilfe?

Der Deutsche Brauer-Bund hat zur Unterstützung von Betrieben der Getränkeindustrie vor wenigen Wochen die Online-Plattform https://co2-plattform.de gestartet. Sie dient dazu, in der aktuellen Krise den Austausch zwischen produzierenden Unternehmen zu vereinfachen, die CO2 benötigen oder anbieten. Das kostenlose Service-Angebot steht allen Betrieben aus der Getränkeindustrie offen, unabhängig von Verbandsmitgliedschaften und hergestellten Produkten. „Mit der neuen Online-Plattform wollen wir kurzfristig eine Kontaktmöglichkeit für die Branche schaffen und in der aktuellen Krise Hilfe zur Selbsthilfe ermöglichen“, so Holger Eichele, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes (DBB) in Berlin. In der aktuellen Mangellage suchen immer mehr Unternehmen aus der Brauwirtschaft und anderen Sparten der Getränkeindustrie dringend nach verfügbarer Kohlensäure, während andere Betriebe über Überschüsse aus der eigenen Produktion verfügen oder nicht genutzte Mengen auf Lager haben.

6. Wie lässt sich Kohlensäure ersetzen?

Bierflaschen-Abfuellung_Envases

Grundsätzlich funktioniert das „Vorspannen“, d.h. das Verdrängen der Luft auch mit anderen Gasen, wie zum Beispiel Stickstoff. Da Not bekanntlich erfinderisch macht, hat der Kohlensäuremangel einige kleinere Brauereien schon zu entsprechenden Testläufen veranlasst. Eine Brauerei, die Stickstoff als Ersatzgas bereits erfolgreich einsetzt, ist die Storchenbräu aus Pfaffenhofen im Allgäu. Brauereichef Hans Roth hat dafür eine unkomplizierte Lösung gefunden, indem er eine Batterie aus Stickstoffflaschen über Schläuche provisorisch an die Abfüllung angeschlossen hat. Zwar läuft diese dadurch etwas langsamer – etwa auf 80 Prozent des herkömmlichen Niveaus mit CO2 – aber die Qualität stimmt und die Produktion kann aufrecht erhalten werden. Wie genau dieser Stickstoff-Ersatzbetrieb in der Storchenbräu funktioniert, demonstriert Hans Roth in einem Video auf Instagram.

CO2-Rückgewinnung bald auch für kleinere Brauereien rentabel?

7. Welche langfristigen Lösungsansätze gibt es?

Vor allem große Brauereien wie etwa die Oettinger Brauerei setzen längst auf sogenannte Rückgewinnungsanlagen. Mit diesen kann Kohlensäure, die bei der Biergärung entsteht, aufgefangen und wieder verwendet werden. Da Oettinger die Mehrheit seiner Standorte inzwischen mit Rückgewinnungsanlagen ausgestattet hat, kann die Brauerei gruppenweit mittlerweile mehr als die Hälfte des benötigten CO2 selbst „produzieren“. Auch die Klosterbrauerei Andechs, eine mittelständische Brauerei aus Bayern, hat bereits 2014 eine Rückgewinnungsanlage installiert. Diese macht die Produktion völlig autark, so dass der derzeitige Kohlensäuremangel den Andechsern anders als anderen Brauereien keine Sorgen bereitet. Wie genau die hauseigene Rückgewinnungsanlage funktioniert, beschreibt die Klosterbrauerei Andechs ausführlich auf ihrer Website. Solche Anlagen, die konventionelle Gas-Wäschersysteme mit energieaufwändigen Trocknungs- und Verflüssigungsschritten zur Kohlensäureaufbereitung nutzen, sind allerdings für die meisten kleinen und mittleren Brauereien noch schlicht zu teuer. Dieses Problems hat sich die Universität Bayreuth angenommen. Der Lehrstuhl Umweltgerechte Produktionstechnik der Universität Bayreuth hat mit „CaSCaDe“ (Capturing and Storage of Carbon Dioxide) ein System entwickelt, das mittelständischen Brauereien bei der wirtschaftlichen Rückgewinnung von CO2 aus Brauprozessen hilft. Mit Unterstützung durch die Wissenschaftsförderung der Deutschen Brauwirtschaftverbessern die Lehrstühle für Umweltgerechte Produktionstechnik und für Chemische Verfahrenstechnik in Kooperation mit der Neumarkter Lammsbräu und dem Brauanlagenhersteller Kaspar-Schulz das Verfahren derzeit weiter.

 Quelle Bilder: Deutscher Brauerbund