Studie Biertrends 2025: Biergenuss ist divers und momentabhängig

Durch Corona hat sich eine Entwicklung verstärkt, die schon länger zu beobachten ist: Bier als Alltagsbegleiter ist längst nicht mehr selbstverständlich. Biergenuss ist stattdessen zunehmend an Situationen und Momente geknüpft. Diese zu besetzen, ist für Brauereien die größte Herausforderung und gleichzeitig der Schlüssel zum Erfolg. Wichtige Ansatzpunkte hierfür liefert die Bierkonsum Trendstudie 2025. Markenpsychologe Florian Klaus, der die Studie begleitet hat, beantwortet die wichtigsten Fragen zu Verbrauchererwartungen, Trinkverhalten und Trendtreibern.

Welche Alltagsbedeutung hat Bier heute? Was muss gutes Bier von morgen aus Verbrauchersicht erfüllen? Welche Entwicklungen zeichnen sich ab? Was folgt auf den Hellbiertrend? Mit all diesen Fragestellungen befasst sich eine aktuelle Studie zu den Biertrends 2025 des Nürnberger Marktforschungsinstituts K&A BrandResearch. Im Interview erläutert Markenpsychologe Florian Klaus die wichtigsten Ergebnisse und gibt Tipps, wie Brauereien damit umgehen können.

In der „Bierkonsum Trendstudie 2025“ wurde nicht nur das Trinkverhalten der Verbraucher untersucht, sondern auch auf Erwartungen und Trends eingegangen. Was hat Sie dabei besonders überrascht? 

Florian Klaus: Überrascht hat mich zum Beispiel die Einstellung zum Reinheitsgebot. Unter deutschen Brauern ist das Reinheitsgebot so etwas wie der Heilige Gral – ein Qualitätsmerkmal, von dem sie überzeugt sind: Das macht uns speziell. In unserer Biertrends Studie sind wir allerdings zu der Erkenntnis gekommen: Das Reinheitsgebot wird überschätzt. Auf Verbraucherseite hingegen hat es nur noch wenig Relevanz. Besonders jüngere Biertrinker lösen den Begriff Reinheitsgebot für sich mittlerweile ganz anders auf: Ihnen ist nicht so wichtig, ob das Bier nur aus bestimmten zugelassenen Zutaten besteht. Sondern sie legen vielmehr Wert darauf, dass alle Inhaltsstoffe „rein“ sind, also biologischen Ursprungs. Experimentellen Rezepturen und Biermischgetränken stehen sind sie durchaus aufgeschlossen gegenüber. Unsere Biertrends Studie hat gezeigt, dass es hier offensichtlich einen großen Unterschied gibt zwischen dem Bewusstsein der Brauer und dem der Verbraucher.

Bier muss weg vom rein maskulinen Image

Feiern mit Bier und Envases

Jüngere und diverse Zielgruppen anzusprechen, ist eine der größten Herausforderungen für die Bierbranche. Quelle: AdobeStock, Mirko Vitali

Was sind die wichtigsten Trends, die sich bei Bier-Konsumenten aktuell abzeichnen?

Ganz oben steht das Thema Diversität. Unsere Gesellschaft verändert sich, auch Migration spielt hier eine Rolle. Bier muss daher unbedingt raus aus dem „Alte-weiße-Männer-Eck“. Die bierselige Männerrunde oder der Businesstyp im Trenchcoat, der sich am Ende eines anstrengenden Arbeitstages entspannt in die Düne fallen lässt und mit einem Zischen sein Feierabendbier öffnet – um diverse Zielgruppen anzusprechen muss die Branche dieses Image öffnen . Damit einher geht die Frage nach dem Alkoholgehalt. Für bestimmte Kulturen und gerade auch jüngere Konsumenten sind alkoholhaltige Getränke nicht per se attraktiv. Sie passen nicht zu deren Lifestyle und Fitnessbewusstsein. Alkoholfreie und alkoholreduzierte Biere und Biermixgetränke können hier Alternativen bieten. Auf jeden Fall entwickelt sich der Markt weg vom Einheitspils, unterschiedliche Bierstile sind zunehmend gefragt. Auch die Regionalität gewinnt in diesem Zusammenhang an Bedeutung.

Bier gehört nicht mehr selbstverständlich zum Alltag

Seit Jahren nimmt der Bierkonsum stetig ab. Dafür werden alkoholfreie Biere bzw. Biermixgetränke immer beliebter. Welche Rolle hat Corona zuletzt bei dieser Entwicklung gespielt? Welche Alltagsbedeutung hat Bier heute?

Grundsätzlich sind natürlich viele Themen, die mit Geselligkeit zu tun haben, durch Corona in Schwierigkeiten geraten. Ob Familienfeiern oder sonstige Feste – es haben einfach die Anlässe gefehlt, bei denen diese Produkte üblicherweise konsumiert werden. Insbesondere Bier profitiert von geselligen Momenten, in denen mehrere Personen zusammenkommen. Andere alkoholische Getränke wie Wein oder Sekt hingegen haben während der Pandemie dazugewonnen. Auch weil sie konsumiert werden, um besondere Momente der Zweisamkeit zu zelebrieren. Dem Bier gelingt es bisher weniger, solche Momente der Zweisamkeit zu besetzen. Gleichzeitig haben viele Menschen Corona zum Anlass genommen, ihre eigenen Gewohnheiten zu überdenken – insbesondere im Hinblick auf gesundheitliche Faktoren. Dazu gehören natürlich auch die Ernährung und der persönliche Alkoholkonsum. Zwar greifen Verbraucher inzwischen häufiger zu alkoholfreien Bieren und Biermischgetränken. Allein dadurch lässt sich der Rückgang beim Bierkonsum allerdings nicht aufhalten. Es hat sich also durch Corona eine Entwicklung verstärkt, die schon länger zu beobachten ist und die auch unsere Biertrends Studie abbildet: Bier als Begleiter in geselligen Situationen und generell im Alltag ist längst nicht mehr selbstverständlich.

Zweisamkeit mit Bier

Anders als Wein und Sekt gelingt es dem Bier bisher kaum, Momente der Zweisamkeit zu besetzen. Quelle: AdobeStock, Goran

Welche Unterschiede zwischen älteren und jüngeren Biertrinkern sind Ihnen im Rahmen Ihrer Studie aufgefallen?

Grundsätzlich kann man sagen: Die „Generation der Kastenschlepper“ stirbt aus. Gemeint sind damit diejenigen, meist älteren Konsumenten, die sich regelmäßig einen Kasten ihres Lieblingsbieres nach Hause holen, um in den eigenen vier Wänden entspannt ihr Feierabendbier zu genießen. Für die jüngere Generation ist Biergenuss eher an Situationen und Momente geknüpft – Stichwort: Geselligkeit. Zwar holt sich auch mancher jüngere Biertrinker mal eine Kiste nach Hause. Wahrscheinlicher sind aber nur ein paar Flaschen für einen besonderen Anlass oder zum bewussten Genießen. Dabei sind jüngere Biertrinker nicht an eine bestimmte Marke gebunden, sondern probieren gerne mal etwas Neues aus. Der Craftbier-Trend der letzten Jahre hat sicher auch mit diesem geänderten Konsumverhalten zu tun. Wobei sich auch Craftbier auf Dauer keinen Platz in den Herzen von vielen sichern konnte – und erst recht nicht in ihrem Alltag.

Löst das Kellerbier bald das Helle ab?

Helles in Bayern

Hellbier ist Trend – auch, weil es mit dem attraktiven Urlaubs-Alpenklischee verknüpft ist. Bildquelle: AdobeStock, W. Heiber Fotostudio

Helles Bier hat in den letzten Jahren in Sachen Beliebtheit einen raketenhaften Aufstieg hingelegt. Woran liegt das?

Der Hauptgrund liegt in der leichten Zugänglichkeit dieser Biersorte. Kurz gesagt: Es ist super einfach, Helles gut zu finden – es schmeckt im Grunde jedem! Zudem ist es geknüpft an dieses attraktive Urlaubs-Alpenklischee und die bajuwarisch-süddeutsch angehauchte Biergemütlichkeit, was positiv beim Verbraucher ankommt. Es ist aber längst nicht so, dass der Hellbier-Trend generell dem Bierkonsum Aufwind verschafft hat. Vielmehr hat das Helle einer anderen urbayerischen Biersorte, nämlich dem Weizen, Anteile weggenommen und vor allem viele Pils-Trinker für sich gewinnen können. Pils war lange Zeit die mit Abstand beliebteste Biersorte in Deutschland. Als vermeintlichem Selbstläufer wurde ihr daher in Sachen Marketing zuletzt wenig Aufmerksamkeit zuteil. Hier hat das Helle inzwischen deutlich aufgeholt. Das liegt zum einen daran, dass Pils vielerorts „seine Seele verloren hat“. Viele Pils-Biere sind immer austauschbarer geworden, eine gewisse Langeweile hat um sich gegriffen. Zudem haben sich die Geschmacksvorlieben der Verbraucher verändert – was übrigens auch bei anderen Lebensmitteln festzustellen ist: Wir gewöhnen uns bitteren Geschmack zunehmend ab. In genau diese Lücke ist das Helle gestoßen und auch deshalb so erfolgreich!

 Wie geht diese Entwicklung weiter? Taucht schon eine neue Trend-Biersorte am Horizont auf?

Der langanhaltende Hellbier-Trend hat auch in der Braubranche manche überrascht. Das Helle ist quasi „der Aperol Spritz unter den Bieren“: Es hat vom Süden aus einen Siegeszug über die ganze Republik angetreten und sich dabei zum Dauerbrenner entwickelt. Wann dieser Trend gebrochen wird, lässt sich kaum vorhersagen. Genauso wenig, wie die nächste Trend-Biersorte, die das Helle ablösen könnte. Es gibt Anzeichen dafür, dass Kellerbier größer werden könnte. Aber um sich hier festzulegen, läuft der Helles-Trend dann doch noch nicht lange genug.

Verbrauchern ist das Reinheitsgebot nicht so wichtig

Was können Brauereien von Ihrer Studie ableiten, z.B. für Produktentwicklung und Marketing?

Florian Klaus im Interview

Florian Klaus, Director BrandPsychology, K&A BrandResearch AG

Eine wichtige Erkenntnis unserer Biertrends Studie ist, dass Biergenuss nicht mehr selbstverständlich im Alltag verankert, sondern zunehmend im Kontext von Situationen und Momenten zu sehen ist. Das heißt also für Brauereien: Um erfolgreich zu sein, müssen sie mit ihrem Bier bestimmte Momente besetzen. Dabei kann es sehr hilfreich sein, sich zum Beispiel auf die eigene Region psychologisch einzulassen und ein authentisches Gefühl für sie zu entwickeln, um letztlich herauszufinden: Was ist in meiner Region ein charakteristischer Biermoment? Diesen klar zu definieren und konsequent umzusetzen, zahlt sich aus. Von Störtebeker im Norden bis Augustiner im Süden – es gibt viele positive Beispiele von Brauereien, die die eigene Regionalität mit viel Empathie hervorragend spielen und damit unter Umständen auch Biertrinker aus dem ganzen Land für ihr Produkt begeistern. Der Markt belohnt eigenständige Biere mit Charakter, sofern dieser klar umgesetzt und transportiert wird. Das Reinheitsgebot als tragendes Argument für deutsches Bier, soviel ist klar, reicht längst nicht mehr!

*Das Marktforschungsinstitut K&A BrandResearch hat für seine Consumer Drink Trends Studie 2025 eine repräsentative Online-Befragung durchgeführt. Im September 2021 wurden dafür 1039 Menschen zwischen 18 und 56 Jahren befragt, die regelmäßig Getränke aus Super- und/oder Getränkemärkten kaufen und konsumieren. Die dabei ermittelten Aussagen wurden im Abgleich zur Vorgängerstudie von 2018 sowie psychologischen K&A Kontextanalysen analysiert, um Aussagen über das Trinkverhalten, Verbrauchererwartungen und Trendtreiber treffen zu können.

Quelle Titelbild: AdobeStock, Davide Angelini