„Keiner ist so klug wie alle zusammen.“ In der „Schwarmintelligenz“ ihrer Gesellschafter sieht Geschäftsführer Jürgen Keipp die größte Stärke der Unternehmerinitiative Die Freien Brauer. 44 führende Familienbrauereien aus Deutschland, Österreich und Luxemburg haben sich darin zusammengeschlossen, um „Braukunst und Lebensart zu bewahren“. Doch was heißt das ganz konkret? „Wir unterstützen einander in ganz vielen Belangen“, erklärt Jürgen Keipp. In dem Netzwerk tauscht man Erfahrungen aus und teilt gegenseitig Knowhow – von Vertrieb und Marketing über Technik bis hin zu Personalfragen. „Ein wichtiges Thema für Familienunternehmen ist auch immer der Generationswechsel bzw. die Nachfolgefrage“, weiß Jürgen Keipp. Auch hier unterstützt die Initiative, indem sie wechselseitige Coachings oder Patenprogramme für die jeweiligen Junioren organisiert. Und auch in der täglichen Arbeit nutzen Die Freien Brauer Synergien, zum Beispiel durch Kollaborationsmodelle bei Produktion, Abfüllung und Logistik. Das Hauptaugenmerk liegt aber auf der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, in der die Initiative auch ihren Ursprung hat.
Die Freien Brauer: Familienbrauereien arbeiten zusammen
Die Freien Brauer gehen zurück auf die 1969 gegründete Deutsche Brau-Kooperation. Die Familienbrauereien Thier, Krombacher, Licher und Herforder hatten sich damals zusammengeschlossen, um mit vereinter Kraft den Plänen des Unternehmens Oetker zu trotzen, das eine nationale Pilsmarke etablieren wollte. Als der Oetker-Plan allerdings floppte, packten auch die vier ihr Konzept für die gemeinsame Biermarke „Konsul“ in die Schublade. Der Zusammenschluss aber blieb bestehen, fokussierte sich künftig auf den gemeinsamen Einkauf und wuchs sogar auf über 20 Familienbrauereien an. Ab 1991 kamen auch Unternehmen aus deutschsprachigen Nachbarländern dazu. Bei der Beschaffung von Rohstoffen und Materialien zusammenzuarbeiten, gemeinsam Lieferanten auszuwählen und Verträge auszuhandeln, ist für die Gesellschafter bis heute von großem Nutzen.
Gemeinsame Werte als Basis der Wirtschaftskooperation
Im Jahr 2005 entschied die Deutsche Brau-Kooperation aufgrund der rasanten Veränderungen des Biermarktes ihre Anliegen und Ziele zu bündeln und damit aktiv an die Öffentlichkeit zu treten. Sie gründete daher im März 2006 die Initiative Die Freien Brauer, die in den folgenden Jahren kontinuierlich weiterentwickelt wurde. „In einer Zeit, in der die Braueridylle immer mehr von kapitalgetriebenen Unternehmen eingeholt wurde, wollten unsere Familienbrauereien bewusst einen Gegenpunkt setzen.“ Denn Die Freien Brauer verstehen sich nicht nur als Wirtschaftskooperation, sondern als „Gemeinschaft von Unternehmen mit gleichen Interessen und Werten“. Was alle Familienbrauereien der Initiative eint: ihr Bekenntnis zum freien Unternehmertum, das Empfinden für Qualität und ein großes Verantwortungsbewusstsein gegenüber ihren Partnern und den Menschen in ihrer Region.
Wenn es um Bierkultur geht, mischen sich Die Freien Brauer ein
„Sieben Werte“ haben Die Freien Brauer als Grundprinzipien ihrer Gemeinschaft festgeschrieben. Wie jede Brauerei diese in der Praxis umsetzt, entscheidet sie ganz individuell. Wobei sich die Gesellschafter untereinander rege über ihre Aktivitäten austauschen – völlig ohne Argwohn. „Wenn die Kollegen bei den Werten „Ideenklau“ betreiben, freut man sich sogar darüber“, weiß Jürgen Keipp. Je nach Unternehmensgröße hat jeder Gesellschafter ein entsprechend gewichtetes Mitspracherecht innerhalb der Initiative. Als Verband sehen sich Die Freien Brauer nicht und überlassen wirtschafts- und gesellschaftspolitische Branchenthemen daher dem Brauerbund und den Landesverbänden. Sie mischen sich nur ein, wenn die Interessen von Familienbrauereien und Bierkultur betroffen sind. „Keine Patente auf Saatgut“ lautet etwa ein aktuelles Anliegen der Familienbrauereien. Denn mehrere Großkonzerne versuchen bestimmte Gerstensorten und deren Biere patentrechtlich schützen zu lassen. Die Freien Brauer sehen dadurch mittelfristig die Sortenvielfalt der eh schon engen Braugerste eingeschränkt und erheben daher ihre Stimme.
Die Freien Brauer nehmen nicht jeden
Um bei den Freien Brauern aufgenommen zu werden, muss ein Unternehmen eine Reihe von Kriterien erfüllen. Dafür gibt es ein eigenes Bewertungssystem aus Muss- und Kann-Kriterien, anhand dessen über den Aufnahmeantrag oder Vorschlag entschieden wird. Die Betriebsgröße ist dabei nicht ausschlaggebend, wohl aber die Bedeutung in der Region und die Wahrnehmung als Familienbrauerei. Keipp räumt allerdings ein, dass Brauereien unter 100.000 Hektoliter Jahresausstoß aufgrund des umfangreichen Kriterienkatalogs und einer zu erreichenden Mindestpunktzahl selten in Frage kommen. „Jeder Gesellschafter muss einen bestimmten Mehrwert einbringen.“ Von etwa drei bis vier Brauereien, die den Bewertungsprozess pro Jahr durchlaufen, kann durchschnittlich nur eine aufgenommen werden. „Wir wollen, dass jedes neue Mitglied Zeit hat, in die Gemeinschaft hineinzuwachsen. Würden wir zu schnell zu groß werden, ginge das zu Lasten des persönlichen Vertrauensverhältnisses.“ Und genau das sei die Basis der Zusammenarbeit, betont Jürgen Keipp. „Bei uns sind echte Freundschaften entstanden!“
Familienbrauereien denken in Generationen
Die vergangenen Monate seien keine leichten für die Braubranche gewesen, resümiert Keipp. Corona aber auch sonstige Entwicklungen, wie der Preisverfall im LEH oder Lieferkettenprobleme, hätten den Brauereien schwer zu schaffen gemacht. Dennoch ist Jürgen Keipp überzeugt, dass gerade Familienbrauereien in der Lage sind, auch besondere Herausforderungen zu meistern. „Familienunternehmer denken nicht in Quartalsabschlüssen, sondern in Generationen. Sie stecken in schwierigen Zeiten auch mal zurück und tun alles für eine langfristig ausgewogene Entwicklung.“ Die „Sieben Werte“, die sich Die Freien Brauer auf die Fahnen geschrieben haben, sind laut Keipp das beste Fundament dafür. Er ist sich daher sicher „Wer heute seine Hausaufgaben gemacht hat, wird auch in Zukunft erfolgreich sein.“